Vergabeverfahren seit 2017
Die zur Stadt München gehörende Heiliggeistspital-Stiftung, der 840 Hektar Wald im Forst Kasten gehören, hatte im Jahr 2017 ein Vergabeverfahren zum Kiesabbau auf Vorrangflächen im Forst Kasten europaweit eingeleitet. Das Verfahren ist inzwischen abgeschlossen. Nach Presseberichten soll die Neurieder Firma Gebrüder Huber Bodenrecycling als Sieger aus dieserr Ausschreibung hervorgegangen sein.
Klage der Firma Glück
Verkompliziert wird das gesamte Verfahren durch eine Klage der Firma Bernhard Glück Kies-Sand-Hartsteinsplitt GmbH, die seit Jahrzehnten Kies im Forst Kasten abbaut. Glück beruft sich auf eine Vereinbarung mit der Heiliggeist-Spitalstiftung aus dem Jahre 2007, wonach sich die Stiftung verpflichtet habe, mit Glück Verträge zur Fortsetzung des Kiesabbaus auf Grundstücken im Forst Kasten abzuschließen.
Im Dezember 2020 erlitt Glück vor dem Landgericht München I eine Niederlage. Die Richter gelangten zu der Auffassung, die Vereinbarung zwischen Glück und der Stiftung sei Ende 2013 ausgelaufen. Ein Rechtsanspruch der Firma Glück auf Verträge zur Fortsetzung des Kiesabbaus im Forst Kasten bestehe daher nicht. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Glück hat inzwischen Berufung eingelegt.
Die Heiliggeist-Spital-Stiftung
Diese städtische Heiliggeist-Spital-Stiftung ist seit über 600 Jahren im Besitz des Forst Kasten. Aus den Erlösen der Forstwirtschaft wird ein Altersheim in München finanziert. Daher spielen auch das Stiftungsrecht und die Satzung der Heiliggeist-Spital-Stiftung eine Rolle. Umstritten ist z.B., ob der Kiesabbau überhaupt mit der Satzung vereinbar ist.
Was passiert, wenn der Münchner Stadtrat den Kiesabbau stoppt?
Sollte der Münchner Stadtrat den Kiesabbau im Forst Kasten jetzt stoppen, könnten die Unternehmen, die sich am Bieterverfahren beteiligt hatten, Schadenersatzansprüche gegen die Heiliggeist-Spital-Stiftung geltend machen. Das könnte zu langwierigen Rechtsstreitigkeiten führen.
An wen könnten sich die Schadenersatzansprüche richten?
Die am Bieterverfahren beteiligten Firmen könnten ihre Schadenersatzansprüche gegen die städtische Stiftung richten.
Die Rolle der Bezirksregierung Oberbayern
Die Bezirksregierung von Oberbayern ist die Aufsichtsbehörde der Stadt München und führt auch die Aufsicht über die Heiliggeist-Spital-Stiftung. Sie wurde vom Stadtrat angerufen und um eine Stellungnahme gebeten, ob und wie der Kiesabbau gestoppt werden könne. Diese Stellungnahme (vielleicht auch ein Gutachten) ist nach unserem Kenntnisstand nicht veröffentlicht worden. Aus Presseberichten geht allerdings hervor, dass die Bezirksregierung die Auffassung vertreten soll, diejenigen Stadträt*innen, die für einen Stopp des Kiesabbaus stimmen, müssten davon ausgehen, dass sie von der Stadt München für mögliche Schadenersatzansprüche persönlich haftbar gemacht werden.
Was sagt die Bayerische Gemeindeordnung?
Der Artikel 51 Abs. 2 der Bayerischen Gemeindeordnung hat folgende Fassung:
(2) 1Kein Mitglied des Gemeinderats darf zu irgendeiner Zeit wegen seiner Abstimmung gerichtlich oder dienstlich verfolgt oder sonst außerhalb des Gemeinderats zur Verantwortung gezogen werden. 2Die Haftung gegenüber der Gemeinde ist nicht ausgeschlossen, wenn das Abstimmungsverhalten eine vorsätzliche Pflichtverletzung darstellt. 3Die Verantwortlichkeit nach bundesrechtlichen Vorschriften bleibt unberührt.
Unser Kommentar:
Wenn die Bezirksregierung von Oberbayern, zugleich die Aufsichtsbehörde der Stadt München, die Auffassung vertritt, die Stadträt*innen, die für einen Stopp des Kiesabbaus stimmen, müssten zwangsläufig mit ihrem Privatvermögen haften, falls es zu Schadenersatzansprüchen Dritter (etwa des Siegers im Ausschreibungsverfahren) kommt, dann unterliegt sie zwei fundamentalen Fehleinschätzungen:
- Sie hielte eine Entscheidung zum Stopp des Kiesabbaus für eine vorsätzliche Pflichtverletzung der Stadträt*innen. Schon diese Auffassung ist haarsträubend, denn die gewählten Abgeordneten haben verschiedene Pflichten. Dazu gehört auch die Verpflichtung zum Klima- und Umweltschutz!
- Art. 51 Absatz 2 Satz 2 sagt lediglich, dass eine Haftung von Mitgliedern des Gemeinderats/Stadtrats nicht ausgeschlossen ist. Es gibt vom Wortlaut des Gesetzes für die Bezirksregierung also überhaupt keine Notwendigkeit, die Stadträt*innen haftbar zu machen. Es liegt im Ermessen der Stadt und ihrer Aufsichtsbehörde, ob sie ggf. Schadenersatzansprüche an die Stadträt*innen durchreicht.
Da für den Stopp des Kiesabbaus im Forst Kasten aber gute Gründe vorliegen, müssen diese auch in der Abwägung berücksichtigt werden. Eine Haftungsverpflichtung der Stadträt*innen wäre dann kaum vertretbar.
Natürlich werden sich auch Juristen finden lassen, die die Auffassung der Bezirksregierung bestätigen. Der eigentliche Skandal liegt darin, dass die Bezirksregierung gegen den Stadtrat eine harte Linie fährt und den Kiesabbau im Forst Kasten mit ziemlich fiesen Mitteln unbedingt durchsetzen will!
Daher halten wir es für einen ungeheuerlichen Vorgang, die Stadträt*innen mit der Drohung von Schadenersatzansprüchen einzuschüchtern.
Andere Argumentationslinien
Die Süddeutsche Zeitung vom 14. Mai stellt eine Argumentation vor, die eine Vergabe des Kiesabbaus zum jetzigen Zeitpunkt für unrechtmäßig hält. Solange die Klage der Firma Glück nicht letztinstanzlich entschieden sei, dürfe das Verfahren nicht vorangetrieben werden.